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Georg Neumanns Karte
^ Inhalt
Karte
Brief
Bericht
Anmerkungen
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Vorbemerkung
Auf dieser Webpage bringe ich Georg Neumanns Karte.
Danach folgt ein Brief von Georg Neumann an mich, der aus einer Seite Anschreiben besteht und aus 4 Seiten Bericht und dann noch aus der hier am Anfang diese Webpage gebrachten Karte.
Danach folgen Anmerkungen von mir.
Georg Neumann Dieburg, den 02.03.1994
Lieber Frank-Leopold!
Zu Deinem Geburtstag gratulieren Gisela und ich Dir recht herzlich, und für Dein neues Lebensjahr wünschen wir Dir alles Gute. . . .
Kürzlich habe ich für die Marienburger Heimatzeitung einen kleinen Artikel geschrieben und zur Vorbereitung alte Aufzeichnungen durchgesehen. Dabei wurde ich an Deine Frage nach den Ereignissen im Januar 1945 erinnert, über die wir bei Deinem Besuch im vergangenen Jahre gesprochen haben. Anlaß war ein Bericht über 1945, um den mich unsere Cousine Waltraud Hilke vor einigen Jahren gebeten hatte. Ich dachte mir, daß Du vielleicht noch an einer solchen Zusammenfassung Interesse hast und schicke Dir eine Kopie meiner Durchschrift. Die Karte, von der im Text die Rede ist, kann ich nicht kopieren, aber ich habe für Dich Ersatz erstellt und die Daten vom Januar 1945 als farbige Punkte eingeklebt. Für den Vormarsch der Sowjet-Armee habe ich Daten aus der Literatur benutzt, die ich bei mir stehen habe. Natürlich ist der Bericht auf meine eigenen Erlebnisse bezogen, aber wenn Du das Tagebuch Deiner Mutter hinzunimmst, hast Du sicher ein vollständiges Bild.
Inzwischen habe ich auch das Buch über die Salzburger Emigranten gelesen und eine Menge dabei gelernt. Anschließend habe ich aufgrund Deines Hinweises an den Salzburger Verein in Berlin geschrieben und um Auskünfte gebeten. Ich erhielt eine durchaus interessante Antwort, die allerdings keinen Hinweis auf die Familie meines Vaters enthielt. Vermutlich ist diese Familie dem Verein überhaupt nicht bekannt, denn der "Gollub" ist ja wohl erst um 1930 entstanden. Wenn ich also weitere Klarheit will, muß ich mich wohl selbst um geeignete Quellen bemühen.
Mit den herzlichsten Grüßen, denen sich Gisela anschließt,
Dein Georg
Dr. Georg Neumann
Professor
Am Forst 51
6110 Dieburg
Tel. 06071/23279
23. September 1989
Bericht über kriegsbedingte Erlebnisse aus den Jahren 1944 und 1945
Anfang August - 20.11.1944
Bau von Schützen- und Panzergräben (sogenannter "Schippeinsatz"), zuerst für etwa 4 Wochen bei Marienburg (s. Karte X: Grünhagen am Damerauer See), unmittelbar anschließend in Niedermühle, Bahnstation Schirpitz an der Bahnlinie Thorn - Bromberg, schließlich 1 Woche als Lagerwache in der Nähe von Kulmsee.
Onkel Bruno war Ausbilder in Potsdam. Mitte Januar 1945 hatte er Urlaub und war einige Tage in Kranthau zu Besuch. Am 19.01.45 befand er sich auf der Rückreise und unterbrach sie in Marienburg zu einem Besuche bei uns.
Freitag 19.01.1945
Onkel Bruno fühlte sich nicht wohl (Grippe?) und hatte sich zum Mittagsschlaf im Wohnzimmer auf das Sofa gelegt. Während er schlief, hatte einer unserer Kunden - ein Lokomotivführer - meiner Mutter von der kritischen Lage an der Front berichtet, woher er gerade mit einem Zug gekommen war. Meine Mutter gab das an Onkel Bruno weiter. Er hörte sich die nächsten Rundfunknachrichten an und entschloß sich, nach Kranthau zurückzufahren und die sofortige Flucht zu organisieren. Wegen seines unsicheren Gesundheitszustandes bat er um meine Begleitung.
Am Abend fuhren Onkel Bruno und ich mit einem fahrplanmäßigen Zug (laut/ Kursbuchnachdruck von 1941 könnte es 19.45 Uhr gewesen sein) Richtung Allenstein nach Horn und marschierten anschließend zu Preußens. Der Zug war mit Militär überfüllt und fuhr völlig verdunkelt.
Sonnabend, 20.01.1945
Früh morgens ritt Onkel Bruno nach Reichau. Wann er mit Tante Emma, Charlotte und Regina in Kranthau eintraf, weiß ich nicht mehr genau, aber ich glaube, es war am selben Abend.
Im Laufe des Tages wurde auch in Kranthau ein Pferdewagen zur Flucht vorbereitet. Auch Flüchtlinge, die bei Preußens einquartiert waren, bereiteten sich zur Weiterfahrt vor (vgl. Bericht von Tante Lina in Ellinors Dokumentation Seite 224/225).
Während des ganzen Tages hörte man ständig ein fernes, dumpfes Dröhnen.
Sonntag, 21.01.1945
Etwa um 10 Uhr fuhr unser Treck von Kranthau ab, und zwar zunächst nach Mohrungen. Die Absicht, Richtung Maldeuten weiterzufahren, wurde wegen der sehr glatten und überfüllten Straße aufgegeben. Stattdessen fuhren wir in nördlicher Richtung nach Hagenau. Da die Straße wenig benutzt worden war, war es ein schweres Fahren im tiefen Schnee. Wir erreichten Hagenau gegen Abend und übernachteten dort. Vorher rief Onkel Bruno in Löpen an.
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An diesem Tage gingen in Marienburg Hitlerjugend-Führer von Haus zu Haus, um männliche Jugendliche zu sammeln - angeblich zum Schnee-räumen in den Befestigungsanlagen vor der Stadt. Meine Mutter bereitete ihre eigen Flucht vor, indem sie Stückgut mit Betten, Kleidung und Silber für den Bahntransport vorbereitete. Ein Bekannter brachte es für sie zur gegenüberliegenden Güterabfertigung. Einiges davon erreichte Hamburg und kam mit Hilfe einer Schwester meines Vaters 1946 oder 1947 nach Bad Salzdetfurth.
Montag, 22.01.1945
Etwa um 7 Uhr fuhr unser Treck in Richtung Buchwalde weiter. Unterwegs begegnete uns Tante Gertrud; sie kam uns aus Löpen entgegen. Meine Mutter hatte sie gebeten, mich dort abzuholen. Nun begleitete sie uns nach Löpen, wo wir gegen 14 Uhr bei Gehrmanns ankamen.
Noch vor Einbruch der Dunkelheit gingen Tante Gertrud und ich zum Bahnhof Pollwitten (ich bin sicher, daß das letzte Stück ein Fußmarsch war). Wir hatten Glück, denn dort stand ein nichtplanmäßiger Zug abfahrbereit. Er bestand aus recht unterschiedlichen Waggonarten, vermutlich ein Bauhilfszug, der nicht überfüllt besetzt war. Die Leute kamen aus der Gegend von Osterode. Der Zug war ungeheizt, sodaß vielleicht -10°C darin herrschten.
Etwa um 20 Uhr erreichte der Zug Miswalde. Dort hieß es, die Strecke nach Marienburg sei überfüllt, wir müßten nach Elbing fahren. Das geschah, und etwa um 23 Uhr kam der Zug im Bahnhof Eschenhorst, etwa 8 km vor Elbing, an (siehe beiliegende Karte: Rote Markierungen)*).
[*) Dieser Satz in Klammern ist durchgestrichen]
Am Mittag dieses Tages hatte meine Mutter Marienburg mit der Bahn und mit viel zu viel Handgepäck in Richtung Westen verlassen.
Dienstag, 23.01.1945
Da der Zug nicht weiterfuhr, stiegen Tante Gertrud und ich gegen 2 Uhr aus. Im Stationsgebäude erfuhren wir, daß es ungewiß sei, wann der Zug weiterfahren könne. Außerdem wußte man, daß die sovietische Panzerspitze bereits vor Stunden Miswalde erreicht habe.
Diese Nachrichten veranlaßten uns zum Fußmarsch nach Grunau an der Bahnlinie Elbing - Marienburg.
Unterwegs begegnete uns niemand; nur das pausenlose Dröhnen lag in der Luft. Gegen Morgen erreichten wir Grunau. Im Dorf gab es eine Militärdienststelle, in der wir uns nach Fahrgelegenheit erkundigten. Die gab es nicht, aber man sagte uns, daß Miswalde von den Soviets eingenommen worden sei. Auch im Bahnhof meinte man, es bestehe wenig Aussicht auf einen Zug nach Marienburg. So gingen wir mit Sonnenaufgang zur Straße Elbing - Marienburg (ca. 2,5 km).
Die Straße war mit Trecks und Militärkolonnen überfüllt, die sich nebeneinander her bewegten. Gelegentlich gab es eine Stockung, und bei einer solchen Gelegenheit gelang es uns, von einem LKW der "Organisation Todt" mitgenommen zu werden. Er transportierte eine Büroeinrichtung, und wir saßen in schneidender Kälte oben auf den Möbeln. Gegen 11 Uhr erreichten wir Marienburg.*)
*) Etwa um diese Zeit müßte der Treck Gehrm. (Preuß) Weiß im Raum Reichenbach Kämpfe gehört haben und den Umweg über Markushof beschlossen haben.
[Diese Bemerkung ist nicht wie der Rest des Briefes in Maschinenschrift, sondern in Handschrift.]
In etwa zwei Stunden schafften wir es, die Kleidung zu wechseln, warm zu essen und einige Bündel zu schnüren, die auf meinen Rodelschlitten paßten. Dann gingen wir durch die Stadt in Richtung Nogatbrücken.
- 3 –
Etwa am Kino "Capitol" nahm uns die Besatzung eines Militär-LKW auf. In schleppender Fahrt ging es über die Straßenbrücke und, von Kalthof ab in relativ zügigem Tempo, südlich Dirschau vorbei nach Preußisch Stargard, dem Bestimmungsort des Wagens. Wir kamen etwa um 18 Uhr dort an. Die NSV-Dienststelle wies uns in eine Seifenfabrik ein, wo man Notunterkünfte mit Strohschütten eingerichtet hatte. Die zwei (?) Etagen der Fabrik waren mit Flüchtlingen überfüllt.
Etwa um diese Zeit stieß die sovietische Panzerspitze, von Süden kommend, östlich Elbing zum Frischen Haff durch. (Quelle: Gustav Figuth: Marienburg 1945, Schild-Verlag 1985). Der Treck Gehrmann/Preuß/Weiß muß dieses Gebiet kurz vorher verlassen haben und befand sich vermutlich südwestlich des Drausensees (vgl. Bericht von Tante Lina und beiliegende Karte: Blaue Markierung) • • • • •
Mittwoch, 24.01.1945 Tante Gertrud und ich lagerten im Erdgeschoß der Seifenfabrik. In einem zufällig entstandenen Gespräch mit Lagernachbarn im selben Raum erhielt Tante Gertrud einen Hinweis, daß meine Mutter auch in der Seifenfabrik untergekommen sein könnte. Sie geht sofort auf die Suche und findet meine Mutter schnell im Obergeschoß.
Etwa um diese Zeit verließ der Treck Gehrmann/Preuß/Weiß Marienburg.
Nach Sonnenaufgang verließen Tante Gertrud, meine Mutter und ich Preußisch Stargard zu Fuß in Richtung Berlin. Es herrschte wenig Betrieb, an Flüchtlingstrecks kann ich mich nicht erinnern, und es scheint, als ob sich die Leute westlich der Weichsel bereits in Sicherheit glaubten.
Ein größeres Fahrzeug der Luftwaffe nahm uns bis Schneidemühl mit, wo wir abends ankamen. Unterwegs gab es keinerlei Behinderungen, aber vor Schneidemühl mußten wir - bereits in der Dunkelheit - eine soeben geschlossene Panzersperre auf Waldwegen umfahren: Eine sovietische Panzerspitze hatte die Stadt fast erreicht.
Die Soldaten fuhren uns bis zum Bahnhof. Dort warteten wir anschließend inmitten einer großen Menschenmenge auf einen Zug Richtung Westen. Während dieser Zeit gab es entfernte Detonationen, das Licht erlosch, und alle Wartenden strömten in die Fußgängertunnel. Als nach einer Weile wieder Ruhe eintrat und das Licht eingeschaltet wurde, fuhr ein belegter Lazarettzug am Bahnsteig ein. Es gelang uns, unter den Ersten dort einzusteigen, und wir durften bleiben. Erst gegen 24 Uhr verließ der Zug Schneidemühl.
Am Abend dieses Tages erreichte der sovietische Vormarsch den äußeren Verteidigungsring von Marienburg (Quelle: G.Figuth s.o.)
Donnerstag, 25.01.1945
Etwa um 11 Uhr erreichte der Lazarettzug Küstrin. Da er nach Sachsen weiterfahren sollte, haben wir ihn verlassen. Etwa 12.30 Uhr verließen wir Küstrin mit einem fahrplanmäßigen Zug in Richtung Berlin. Nach mehrmaligem Umsteigen trafen wir gegen 18 Uhr mit der S-Bahn in Potsdam ein. Tante Elly konnte uns sofort bei Nachbarn unterbirngen.
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Unser Aufenthalt in Potsdam dauerte genau zwei Wochen. Am Montag, den 29.01.1945, kehrte Onkel Bruno nach Potsdam zurück. Auf seinen Rat hin bemühten wir uns um eine Unterkunft in Westdeutschland, auch für Tante Elly und Monika. Marlies Schneider reagierte sofort mit einem Telegramm, sie halte Unterkunft bereit, wir sollten schnell kommen. Als feststand, daß Onkel Brunos Einheit am 08.02.1945 ausrücken werde, planten wir die Abreise zum 09.02.45 .
Freitag, 09.02.1945
Etwa um 3 Uhr fuhren wir - jetzt zu fünft - mit der ersten S-Bahn nach Berlin. Im Morgengrauen bestiegen wir im Potsdamer Bahnhof (Bln) einen planmäßigen Zug nach Halberstadt, Ankunft ca. 13 Uhr.
Wir waren falsch beraten, dort auszusteigen, denn der Zug fuhr nach Goslar, sodaß wir von dort aus wahrscheinlich noch am selben Abend in Bad Salzdetfurth angekommen wären. Nach langer Wartezeit kam erst abends ein Zug nach Hildesheim, der etwa 19.30 Uhr abfuhr.
Sonnabend, 10.02.1945
Gegen 1 Uhr (nachts!) Ankunft in Groß-Düngen. Übernachtung auf Bänken und Stühlen im Wartesaal. ca. 9.40 Uhr Abfahrt, ca. 10.00 Uhr Ankunft in Bad Salzdetfurth
Gez. G. Neumann
Anlage: Kartenausschnitt
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Anmerkung 1
Erst einmal etwas zur Orientierung. Oben die blaue Fläche ist die Ostsee. Genauer gesagt, die Danziger Bucht. Die Stadt Danzig ist oben links. Die Spitze der Halbinsel Hela ist ganz oben links. Die Karte ist also eine der wenigen Karten, die dieses Gebiet mit deutschen Namen zeigt, aber nicht aus der Vorkriegszeit kommt, denn sie zeigt die Grenze von dem was heute Polen ist, im Süden, und Rußland im Norden (Königsberg): die dicke rote gestrichelte etwa waagerechte Linie. Sie fängt auf der Frischen Nehrung an und geht dann weiter auf dem Festland in Richtung Osten. Der linke Teil der Karte ist West-Preußen und der rechte Ost-Preußen. Die Karte ist recht detailliert, und man kann viele Einzelheiten erkennen, besonders wenn man Strg und + drückt und somit die Karte vergrößert. Da ist zum Beispiel die Autobahn von Elbing nach Königsberg eingetragen. Die ursprüngliche Karte, die Georg benutzt hat, stammt also aus der Zeit nach dem Kriege und seine Eintragungen vom Jahr 1994, ein Geschenk, das ich an meinem 55. Geburtstag erhielt.
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Anmerkung 2
Oberhalb dieser gerade erwähnten Grenze ist Heiligenbeil, dicht am Frischen Haff gelegen. Mein Vorfahr Gottfried Lembcke wurde 1741 geboren. Er war Pächter zu Rissilz, den Ort habe ich nicht gefunden, und hat am 22.11.1776 in Heiligenbeil Anna Juliane Roeckner geheiratet. In der Ahnentafel ist er der väterlicherseits
älteste Vorfahr und die Lembckes, oder später Lemkes, waren Salzburger. Heiligenbeil ist also der für mich früheste Ort meiner Abstammung.
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Anmerkung 3
Weiter links unten ist Frauenburg, auch am Frischen Haff. Es ist der Ort von Kopernikus, 1473-1543, der die Idee vom Sonnensystem populär machte, vorher war dies nur geistig Aufgeweckten bekannt, aber die wurden immer weniger und so geriet es in Vergessenheit. Die immer zunehmende Ignoranz der Menschheit führt direkt in den Abgrund, und die beiden Weltkriege sind Beispiele davon.
Die Karte Königreich Preußen, zeigt das Ermland und die Jahreszahl 1772 und auch daß Frauenburg im Ermland ist. Dies kann eine Andeutung sein, daß Frauenburg vor 1772 nicht zu Preußen gehörte.
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Anmerkung 4
Mohrungen ist südlich von Heiligenbeil, so etwa in der Mitte der Karte. Mohrungen ist mein Geburtsort. Rechts von Mohrungen ist der Narien See und an dessen westlicher Südspitze war unser Hof gelegen, wo ich bis zum 21. Januar 1945 wohnte. Das ist der mit einer 21. beschriebene blaue Punkt. Kranthau ist der Ort und liegt auf dem 20ten östlichen Längengrad. Hier begann die Flucht und endete am 29.03.1945 auf dem 10ten östlichen Längengrad in Bad Salzdetfurth.
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Anmerkung 5
Die blauen Punkte, mit den Tagen des Januars 1945 beschrieben, und die blaue gepunktete Linie zeigen den Verlauf unserer Flucht in Ost- und West-Preußen und die roten Eintragungen die Bewegungen der Sowjet-Armee. Da gibt es 4 Punkte mit dem Eintrag 23, zwei blaue und zwei rote, und sie zeigen an, daß der Kreuzungspunkt von uns vielleicht vor der Zeit erreicht wurde, an der die Sowjets ihn erreichten, aber vielleicht auch danach, und daß wir eine Lücke nutzten, um ihn zu überqueren. Am 24. wurde es dann noch einmal eng. Da kamen die Sowjets von beiden Seiten. Das mit der Lücke könnte damit in Zusammenhang stehen, daß meine Mutter schreibt, daß von Löpen bis Marienburg mindestens 70 km gefahren wurden. Am 23.01.1945 ging die Fahrt Morgens in Löpen los und nach 18 Stunden liefen wir um 3 Uhr nachts, am 24.01.1945, Marienburg an. Demnach wurde Löpen um 9 Uhr verlassen. Das sind so 4 km/h. Die Entfernung von Löpen nach Marienburg ist etwa 40 km, also so nicht viel mehr als die Hälfte von 70 km und dies hat den Anschein, daß scheinbare Umwege gefahren wurden, aber diese Umwege waren Teil der Führung, oder besser der Fügung, uns so zu leiten, daß wir zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren und den Kreuzungspunkt dann erreichten, wenn es sicher war.
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Anmerkung 6
Für mich ist dieser Karte von Georg, und somit der 23. Januar 1945, eine Sache, an die ich mich immer wieder erinnere. Sie gibt mir den festen Glauben an mein Bekenntnis, daß
der Herr mich aus jeder Gefahr rettet.
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Anmerkung 7
Diese Aussage, daß der Herr mich aus jeder Gefahr errettet, besagt ja nicht, daß wir nicht in gefährliche Situation kommen. Sie besagt ja auch nicht, daß wir automatisch aus jeder gefährliche Situation heraus errettet werden. Was sie besagt ist, daß wir dann aus gefährlichen Situationen gerettet werden, wenn wir dieses Sagen tun, und wenn wir das glauben, was wir sagen. Der Gang mit Gott ist das Entscheidende. Gott immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, macht den Unterschied aus.
Jesus sagt in Matthäus 24,20: Betet darum, daß ihr nicht im Winter fliehen müßt.
Und das passierte genau uns. Es fand im Winter statt. Immer wieder sagen die Tagebücher, daß Schnee ein Problem verursachte. Da war schneidende Kälte. Schneidender Wind. Glatte Straßen. Kinder waren steif gefroren. Unterkunft zu finden, war ein großes Problem.
Aber all dies ist kein Problem für Gott. Gott kann erretten - wenn wir wollen, daß er uns rettet. Wenn wir mit Gott übereinstimmen und nicht das Gegenteil vom Wort Gottes aussprechen.
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Anmerkung 8
Noch eine Anmerkung zu Georgs Karte. Auf seiner Karte ist Posilge gedruckt, aber die Fluchtroute, die er mit Hand eingetragen hat, geht nördlich an Posilge vorbei. Posilge ist etwa 15 km östlich von Marienburg. Im Fluchttagebuch steht: "Bei Brodsende
oder Posilge, an einer Wegkreuzung, trafen wir den mir sehr gut bekannten Tierarzt aus Mohrungen Major Jäschke, der den Auftrag hatte, mit einigen Soldaten ein Remonte-Depot über die Weichsel zu bringen." Aber das Fluchttagebuch sagt nicht direkt, daß wir durch Posilge gefahren sind, es sagt "bei" und "oder" und deshalb kann es sein, daß Georgs Route durchaus korrekt ist. Außerdem gibt es Karten, die Markushof und Brodsende eher als Gebiete zeigen und nicht als ganz bestimmte Ortschaften.
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Anmerkung 9
Auf der Frischen Nehrung ist Kahlberg zu sehen. Dahin wurde am 2.7.1939 ein Betriebsausflug gemacht. Cadinen und Tolkemit sind auch zu sehen, auf dem Festland am Frischen Haff. In Cadinen wurde ein Foto gemacht, das im Familienalbum war, und in Tolkemit wurde von den 3 Autos auf einen Dampfer umgestiegen.
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Anmerkung 10
Auf der Karte kann man unten rechts Tannenberg finden, südlich von Osterode und östlich von Dtsch. Eylau. Tannenberg ist das Symbol des Einmarsches der Russen im ersten Weltkrieg, auch damals schon sind meine Mutter und meine Großmutter geflüchtet, nur kehrten sie dann wieder auf den Hof zurück. Und dieses Erlebnis hat wahrscheinlich auch verursacht, daß im zweiten Weltkrieg eine solche Rückkehr als Möglichkeit in Betracht kam und Entscheidungen beeinflußt haben mag.
^ Anmerkung 11
Georg Neumann berichtet über Dienstag, den 23.01.1945, 2 Uhr morgens: man wußte, "daß die sowjetische Panzerspitze bereits gegen 23 Uhr Miswalde erreicht" hatte. Die 23 Uhr war also am Montag, den 22.01.1945. Und seine Karte zeigt, daß der sowjetische Vorstoß östlich des Drausensees erfolgte.
Wenn man sich nun die Heimatkarte des Kreises Mohrungen Teil1 ansieht, dann ist die Überquerung des Oberländer Kanals östlich von Hirschfeld möglich, wenn man in Richtung Norden will, nach Elbing, siehe auch die Karte "Umgebung von Elbing", und Hirschfeld liegt nördlich von Miswalde und zwischen ihnen gibt es ein Straße und auf dieser Straße liegt auf halbem Wege Reichenbach.
Miswalde und Reichenbach, nördlich von Miswalde, und dann Hirschfeld, wieder nördlich von Reichenbach, sind alle drei auf Georgs Karte zu sehen.
Wir verließen Löpen am 23.01.1945 um 09:00 Uhr und bis Reichenbach sind es weniger als 8 km und bei 3,9 km/h mit einem Schlitten, waren wir dann 2 Stunden später, also um 11 Uhr in Reichenbach.
Und zur gleichen Zeit, also am Morgen des 23.01.1945, stießen dann auch die sowjetischen Panzer weiter nach Norden vor, von Miswalde nach Reichenbach, nur weiter westlich, und waren dabei, uns den Weg nach Westen abzuschneiden.
Noch in Löpen hörten wir Gewehrfeuer und Löpen ist nur 6 km östlich von der Straße von Miswalde nach Reichenbach, von wo diese Schüsse hergekommen sein mögen.
Und in Reichenbach hörten wir wieder Gewehrfeuer, "von der anderen Seite", und das wird von Süden gewesen sein, denn wir fuhren nicht wie vorgesehen weiter:
Morgens fuhren wir in größter Hast von Löpen ab. Da gute Schlittenbahn war, ging es nun schnell vorwärts bis Reichenbach. Hier nun hörten wir Gewehrfeuer von der anderen Seite. Deshalb fuhren wir nicht wie vorgesehen über Christburg-Stuhm, sondern Richtung Posilge, durch die Niederung an Markushof vorbei. Unübersehbare Trecks von allen Wegen auf die Hauptstraße zukommend.
Der zweite Gund für den Richtungswechsel scheint also gewesen zu sein, daß auf der "Hauptstraße", also der nach Christburg, zu viel Verkehr war.
Der Kreuzungspunkt unserer Route und der der Panzer war also wahrscheinlich der Ort Reichenbach, und diesem Ort zu entkommen war deshalb entscheidend.
Wir verließen also, da gute Schlittenbahn war, recht schnell auch Reichenbach, und entfernten uns deshalb von dem Ort, der wohl kurz danach von den Panzern erreicht wurde.
Und das Gewehrfeuer könnte sogar von den Panzern her gekommen sein, denn die schossen mit ihren Maschinengewehren auf alles, was in ihre Sicht kam, und Wehrmachtpanzer waren wohl abwesend und so hörten wir keine Panzerkanonen.
Und der Neuschnee, der am Dienstag früh, den 23.01.1945, entdeckt wurde, und der zum Weiterfahren mit Schlitten führte, war Gottes Arbeit, uns schnell wegkommen zu lassen.
Und da gute Schlittenbahn war, ging es nun auch schnell vorwärts bis Marienburg, auch gerade bevor dort die Panzer die Stadt einschlossen.
Von Löpen bis Marienburg sind es weniger als 40 km, das Fluchttagebuch aber schreibt, daß die Fluchtstrecke mindestens 70 km war, und das war vielleicht deshalb, weil Umwege gefahren wurden. Und die Umwege wurden wahrscheinlich deshalb gefahren, um verstopfte Straßen zu vermeiden.
Für Tante Gertrud und Cousin Georg war Miswalde der Kreuzungspunkt ihrer Fluchtroute und der Route der Panzer.
Am Montag, den 22.01.1945 gingen sie abends zum Bahnhof Pollwitten, und fuhren mit einem Zug nach Miswalde, das sie etwa um 20 Uhr erreichten, und um 23 Uhr erreichten sie den Bahnhof Eschenhorst, westlich des Drausensees. Und um diese Zeit, um 23 Uhr erreichten auch die Panzer Miswalde, also 3 Stunden, nachdem sie Miswalde verlassen hatten.
Von Löpen zum Bahnhof Pollwitten sind es etwas mehr als 5 km. Von Löpen zum Bahnhof Miswalde sind es etwas mehr als 8 km. Und vom Bahnhof Miswalde bis nach Marienburg sind es etwas mehr als 36 km. Wenn Gertrud und Georg nicht zum Bahnhof Pollwitten gegangen wären, sondern gleich zum Bahnhof Miswalde, dann hätten sie nur 3 km mehr zu gehen gehabt, wären aber lange vor den Panzern dort gewesen, und wenn sie dann weiter gegangen wären, was es ja leicht möglich war, da sie kein Gepäck hatten, und auch verstopfte Straßen sie nicht aufgehalten hätten, wären sie auch lange vor den Panzern in Marienburg angekommen. Aber darum geht es ja eigentlich nicht.
Auch die Menschen unseres Trecks hätten von Löpen aus nach Marienburg zu Fuß gehen können, genau so wie Gertrud und Georg, oder auch auf Pferden reiten können. Aber warum es geht, ist ja gemäß den gegebenen Umständen, und gemäß dem gegebenen Grad der Willigkeit, sich von materiellen Gütern zu trennen, doch noch gerettet zu werden. Gott hat immer Möglichkeiten der Rettung, auch wenn es menschlich gesehen unmöglich erscheint.
Aber all dies gerettet werden hilft recht wenig, wenn die geretteten Menschen daraus nicht für den Rest ihres Leben die notwendigen Lehren ziehen und es lernen, sich immer auf Gott zu verlassen und immer wieder in Gedanken zu Gott zurückzukehren und es lernen, ein Leben völlig mit Gott zu leben.
Und so wird es am Ende sein. Nach dem großen Erdbeben werden nur wenige Überlebende die richtigen Konsequenzen ziehen und die kurze Zeit bis zum wirklichen Ende so leben, daß sie auch an der Entrückung teilnehmen werden, also gerettet werden, und nicht im Abgrund enden.
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